Sing ein Lied!

„Sing ein Lied, wenn Du mal traurig bist!“ sang und pfiff Ilse Werner vor Jahrzehnten aus dem Äther des Rundfunks. Singen macht tatsächlich froh und hebt die Stimmung. Eine alte Weisheit sagt auch, „wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“

Man muss gar nicht singen können und auch nicht notwendigerweise böse sein, um Gesang ein Stück weit in die eigene Sprache zu bringen. Jeder von uns gewöhnt sich die ersten Jahre seines Lebens an die Muttersprache und prägt auch eine gewisse Lautskala aus, die mit dem eigenen Temperament einhergeht. Das Interessante hierbei ist, es ist nichts Unveränderliches.

Hat man zum Beispiel die vielen guten Tipps über, die einem raten, was man machen soll, um besser drauf oder beliebter zu sein, so kann man es einfach über kleine Variationen in der Sprache versuchen. Denn….. Sprache kann ja letztlich eine Waffe sein, entweder dient sie der Verständigung und der Annäherung oder der Abgrenzung. Oft weiß man gar nicht, wieviel sich den Zuhörern vom Sprecher zeigt, weil nicht nur die Wortwahl, sondern auch der Ton, der die Musik macht, Bände spricht.

Nimm einfach mal Deine ganze Aufmerksamkeit zusammen und achte besonders bei „Ja, aber“-Sätzen auf Deine Betonung. Mit Sicherheit geht der Tonfall nach unten zum Satzende. Gerade bei eher misslaunigen Mitmenschen zieht sich die Moll-Musik durch alle Sätze, es ist der Bähmulle-Song, also das Lied eines Jammerlappens. Von Wort zu Wort wandert die Stimme den Berg hinunter ins tiefe Tal. Bei streitlustigeren Naturellen entdecke ich dafür den „BähBäh“-Rap. Ein Maschinengewehr-Satz, der mit seiner Melodie sprungweise in den Keller poltert. Oder der „Hilf-mir“-Blues, der weinerlich in Schleifen rauf und runter schlingert, bis er endlich am Boden des Jammertals angekommen ist, wo schon die ureigene Bähmulle darauf wartet, eine Kakophonie des Nörgelns und Selbstbemitleidens im Duett zu heulen.

Nein, ich mache mich nicht lustig, aber es nervt, wenn der ganze Mensch eine dieser Sinfonien im Dauereinsatz durchspielt. Es dominiert den ganzen Menschen und häufig hat derjenige den Charme einer singenden Säge, die sich unangenehm durch die Trommelfelle bis ins Hirn vorarbeitet.

Ich selber habe den „Ja, aber“-Ohrwurm an mir wegtrainiert, weil er mir auf die Nerven ging und ich eigentlich dachte, ich hätte doch etwas ganz anderes damit sagen wollen. Reden unterliegt eben genau denselben Gewohnheitsmustern wie das restliche Verhalten. Zum wirklichen und freien Handeln kommt man erst stückweise durch die Befreiung von alten Verhaltensmustern. Zuerst legte ich mir ein Repertoire von Synonymen bereit, dass ich anstatt des „Ja, aber“ nehmen konnte. Zudem habe ich darauf geachtet, mit meinem Tonfall eher in Dur zu bleiben. Übung macht den Meister und verändert sogar die Einstellung. Von Moll nach Dur macht gute Laune. Und die wollte ich mehr als vorher haben. Es hat funktioniert, natürlich mit der Justierung von anderen überholten Mustern, die ich nicht mehr an mir mochte. Ein weiteres gutes Helferlein hat sich dabei bewährt. Der Dalai Lama sagte einmal, wenn man lächelt, aktivieren die nach oben gezogenen Mundwinkel bestimmte Areale im Gehirn, welche die Stimmung positiv beeinflussen. Das stimmt, ich weiß es aus eigener Erfahrung.

Und nun an alle Unker, die meinen, das sei unnatürlich und unecht. Was bitteschön ist eigentlich „authentisches, echtes Sein“? Doch bestimmt nicht die negative sich selber und andere Dauermiesmacherei. Es ist einfach eine Frage der Perspektive und der eigenen Wünsche, wo man sein möchte. Sicher hat man im Leben auch schwierige Situationen und Phasen zu bewältigen, wo einem nicht nach Lachen zumute ist, das ist jedoch nicht der Dauerzustand. Deshalb….. sing, wenn Du mal grundlos traurig bist!