Die Schönheit der Venus

Ganz unabhängig davon, welchem Zeitgeist wir folgen und welchen Lifestyle wir damit verbinden, jeder hat einen Sinn für Schönheit, der ganz individuell aussieht. Das ist Vielfalt. Das Empfinden für Schönheit ist mit Sicherheit über die soziale und kulturelle Prägung hinaus ein Stück weit angeboren. Struktur, Form, Ordnung – auch ein chaotischer Mensch hat sein eigenes Universum, in dem die Dinge ihren Platz und ihre Ästhetik haben. Vielleicht wirken deshalb ‚universal‘ anerkannte Meisterwerke und Kulturdenkmäler übereinstimmend erhaben und schön auf Menschen.

Die Venus von Botticelli ist so eine universale Schönheit, die zeitgenössische Vorstellungen durch ihre Wirkung einfach überstrahlt. Ich gebe zu, ich liebe dieses Gemälde. Es hat für mich etwas Überirdisches, das bis in den Alltag hineinstrahlt und einfach alles ein wenig schöner wirken lässt. Auf dem Gemälde sieht man die Venus, die auf einer Muschelschale in Zypern landet. Venus ist im Griechischen die „Aphrodite“, die Meerschaumgeborene, und drückt besser als jeder TUI-Katalog ein Stück Urlaub im Allerlei des Alltäglichen aus. Eine der Göttinnen der Jahreszeiten reicht der Venus einen Mantel, mit dem Sie ihre Blöße bedecken kann. Der Westwind bläst sie auf den Strand. Eine frische Brise, eine Ankunft und ein Mantel, mit Blüten, der um ihren Leib geworfen wird. Der erste Akt der Neuzeit. Die Göttin der Liebe und der Schönheit erreicht das Festland.

Gemälde können aufbauen und erheben. Die Venus lässt einen vergessen, dass die schnöde Welt wenig Schönes bietet. Sie gibt einem die Lust Profanes nach hinten zu stellen und der scheinbar schnöden Welt etwas entgegen zu stellen. Die Lust am Leben und an der Schönheit. Vielleicht ein der Neuzeit angemessenes Stück des Paradiesgärtleins, aber sehr viel attraktiver, als dies im Mittelalter der Fall war.

Die Venus hat etwas Modernes. Auf ihrer Muschelschale gleitet sie wie auf einem Surfbrett zum Strand. Sie ist keine naive Marienfigur, wie wir es von sehr viel älteren Altarretabeln kennen, die Maria mit dem Kind zeigen. Die Renaissance hat also einen Anfang gesetzt, allegorische Weiblichkeit in Szene zu setzen. Das Symbol für Schönheit springt ins Auge des Betrachters. Kühl, voll sinnlicher Attitüde. Catwalk als Catflow auf der Muschel, avantgardistisch und zeitlos. Der Mensch als Zeichen pur, in voller Schönheit. Perspektiv befreit von konventionellen Fesseln. Allegorie des Natürlichen und des Kreatürlichen, fern von Zeit und Raum. Botticelli, der Schöpfer dieses Gemäldes, hat ein Symbol für Schönheit geschaffen, das nicht mehr zeit- noch epochengebunden ist.

Schönheit – Teil menschlichen Empfindens. Wunsch, Vision, Hoffnung und Bedürfnis. Die kleine und große Schöne im Herzen von uns allen. Die Liebe zum Detail und zum großen Entwurf. Ob bei der Arbeit, im Schrebergarten, beim Anblick der Kinder oder anderer geliebter Dinge und Menschen. Botticelli, der Liebhaber, der wir alle sind. Der Blick auf die Dinge und Menschen, das Schöne im Visier. Und nicht nur sehender Weise…. sondern, alle Sinne schätzend. Lukullus und Bacchus, Gourmet und Gourmand, Parfumeur, Musikant und Masseur.

Tun und Sein als Wohltat. Leben als Genuss. Die Venus als Motor des Wollens und Wünschens. Schönheit als Prinzip. Venus als Triebkraft des Glücks.

2 Gedanken zu “Die Schönheit der Venus”

  1. … die Venus ist auch ein modernes Bild der Muttergöttin , die früher schon mit Wasser in Verbindung dargestellt wurde und sehr schön war. Wasser – Schönheit – Frau, das war von vielen Jahrtausenden schon ein Symbolkomplex. :))

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  2. Das ist interessant, danke ((-.

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